Zwischen Begeisterung und Enttäuschung über die Sozialdemokratie

Christoph Blumhardts Hoffnung auf das Reich Gottes
Vortrag von Albrecht Esche und Dieter Ising am 28. September 2019 um 14:00 Uhr im Ev. Gemeindehaus zu Möttlingen

Am 2. August jährte sich der 100. Todestag von Christoph Blumhardt (1842–1919), der im Kurhaus Bad Boll das Werk seines Vaters, der dort als Seelsorger und Theologe der Hoffnung gewirkt hatte, weiterführte. Die Naherwartung des Reiches Gottes bestimmte Christophs Leben. Dass dessen Gerechtigkeit schon heute weltweit und in universaler Weise wirksam werde und Menschen motiviere, dafür betete und predigte er.

Enttäuscht von seiner Landeskirche und ihrem verbürgerlichten Christentum, wandte er sich 1899 der Sozialdemokratie zu. Diese kämpfte für eine soziale Gerechtigkeit und Solidarität mit den Arbeitern, die sich nicht auf Almosen beschränkte, sondern Kapitalismuskritik übte und die politische Machtfrage stellte. Blumhardt erkannte hier seine eigenen Ziele und trat in die SPD ein. Das gesellschaftspolitische Engagement hinderte ihn nicht daran, weiter als Seelsorger und Beter für die Not einzelner Menschen da zu sein.

Seine Erfahrungen als Landtagsabgeordneter in Stuttgart und auf Parteitagen der SPD führten bald zur Ernüchterung. Er fühlte sich fremd in der Partei, die er nicht überzeugen konnte, dass das Reich Gottes bei aller menschlichen Aktivität letztlich von Gott herbeigeführt werde. Wenn beides nicht zusammengedacht werde, sah er dies als Versuch einer Selbsterlösung, die notwendig scheitern müsse.

Christoph Blumhardt hat beharrlich festgehalten an einem Gott, der Gerechtigkeit im sozialen Leben will, aber auch im Umgang mit der Schöpfung und im Verhalten der Völker zueinander. Was diese universale Gerechtigkeit bedeutet, muss heute weitergedacht werden, etwa im Blick auf Christen, die um ihres Glaubens willen verfolgt werden.

Der Referent Albrecht Esche M. A., Theologe und Literaturwissenschaftler, war 15 Jahre Studienleiter an der Evangelischen Akademie Bad Boll, hat dort die literarische Gedenkstätte „Blumhardts Literatursalon“ eingerichtet und dazu das Buch verfasst „Reich Gottes in Bad Boll. Religion, Kultur und Politik bei Johann Christoph Blumhardt und Christoph Blumhardt“ (4. Aufl. 2016, Evangelische Akademie Bad Boll).

Der Theologe Dr. Dieter Ising hat als Mitarbeiter des Landeskirchlichen Archivs Stuttgart den Briefwechsel Johann Christoph Blumhardts herausgegeben (7 Bände, Göttingen 1993–2001) und eine Biographie des älteren Blumhardt verfasst (Johann Christoph Blumhardt. Leben und Werk, 2. Aufl. 2018). Zugleich hat er handschriftliche Nachlässe zum Sohn Christoph für das Landeskirchliche Archiv gesammelt und in Publikationen ausgewertet.